Ein Samstagabend im Juni. Noch um 18 Uhr heizt die Sonne ordentlich ein. Die 17 Teilnehmer vom Ludwigsburger Filmclub suchen deshalb immer wieder den Schatten, um den amüsanten Geschichten des Gästeführers H. Michaelis zu folgen, sie hören Anekdoten und Schnurren aus der Regierungszeit von Herzog Eberhard Ludwig (1676 – 1733) und Herzog Carl Eugen (1728 – 1793).
Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden unter Herzog Eberhard Ludwig das Ludwigsburger Schloss und einige zusätzliche Bauten errichtet, und er entschied sich, dem Schloss eine Stadt hinzuzufügen.
Um Bürger in die zwei Fahrstunden von Stuttgart entfernte, noch recht unwirtliche Gegend zu locken, machte der Herzog mehrere lukrative Angebote zur Ansiedelung: Ein kostenloses Haus und Steuerfreiheit. Als das nichts half musste der Herzog die angebotene Steuerfreiheit auf zwanzig Jahre ausdehnen. Diesem Aufruf folgen dann einige Interessenten und ließen sich in Ludwigsburg nieder. Vor allem Betriebe der Lebensmittelwirtschaft und Gasthäuser sprossen bis 1724 aus dem Boden, Metzger, Bäcker und Handelsleute und Handwerker kamen dazu.
Für die Bauten wurde vom Herzog persönlich die zweistöckige Bauweise festgelegt, unten der Laden, die Gaststätte oder der Handwerksbetrieb, im ersten Stock die Wohnräume und im Dachgeschoss das Dienstpersonal. Der Baustil ist an vielen Stellen erhalten geblieben, Die Stadt wurde quadratisch angelegt, mit Innenhöfen rund um mehrere Häuser, ganze Stadtviertel sind noch heute quadratisch. Die Stadt wurde ganz auf die Schlossanlage ausgerichtet. Der Hauptverkehrsweg für die Kutschen hatte auf beiden Seiten eine doppelte Baumreihe. Die östlichen Reihen wurden inzwischen dem Verkehr geopfert.
Der Nach-Nachfolger von Herzog Eberhard Ludwig war Herzog Carl Eugen. Dieser war der absolutistische Herrscher par excellence, und er wollte seinen Hof zu einem der glänzendsten in Europa machen. Opulente Opern- und Ballettaufführungen, Hofzeremoniell und Truppenparaden, Feuerwerke und Illumination kosteten viel Geld, der Aufwand dafür überstieg bei weitem die Wirtschaftskraft des Landes. Auch die Venezianische Messe, die in 2-jährlichem Rhythmus in Ludwigsburg immer noch stattfindet (außer in Coronazeiten) geht auf ihn zurück. Als „schwäbisches Potsdam“ wurde Ludwigsburg bezeichnet, und kündete damit von der europaweiten Ausstrahlung dieses Schlosses und seines herzoglichen Hofes. Selbst Giacomo Casanova war schwer beeindruckt. Der Hof des Herzogs sei „der glänzendste von ganz Europa“, schrieb er nach einem Besuch in Ludwigsburg.
Die Feste am Schloss waren so legendär wie seine zahllosen Affären. Es wird überliefert, dass die Auserwählten als Zeichen seiner Gunst blaue Seidenschuhe tragen sollten. Carl Eugen hat insgesamt 77 „natürliche Söhne“ anerkannt.
Carl Eugen war sehr erfinderisch, um Steuern von den Untertanen einzufordern. Steuern wurden erhoben auf die Anzahl der Beine, die in die Stadt reinwollten. Ein Pferdefuhrwerk, das in die Stadt auf den Markt fuhr, musste also die Beine der Pferde und des Fuhrmanns zählen und darauf löhnen. Den Untertanen wurde zwangsweise auferlegt, Lose der herzoglichen Klassenlotterie zu kaufen – zu gewinnen gab es – nichts! Tausende Landeskinder verkauft er als Soldaten an fremde Herrscher.
Am Marktplatz verabschiedete sich H. Michaelis von den LFClern; die Clubmitglieder suchten noch einen Biergarten auf, um ihren Durst zu löschen. Einige hatten ihre Kameras dabei und nutzten danach die Gelegenheit, erste Aufnahmen in der Blauen Stunden zu machen.
Juni 2022, Waltraut Kruse